susanne kallenbach

Gedanken und Erläuterungen zu meinen Arbeiten

Residency Frankreich: Vallauris AIR, 2007

Zwei Felsen (Tumblin’ Rocks), 2009, Steinzeug, 31 x 31 x 16 cm und 39 x 29 x 20 cm

Das Licht an der Côte d’Azur ist von einer stillen Brillanz und Schönheit, die mich in jenen zwei Monaten fast euphorisch gestimmt hat. Während der Residency experimentierte ich mit vielen hellen französischen Tonen und Porzellanen, die ich bisweilen mit keramischen Farben hell-pastell einfärbte. Letztlich entstanden "Rocks" – Felsen, wie sie sich im Hinterland, den Meeresalpen, der Hitze der Sonne entgegen wenden, leicht schräg wie in einem Tanz versunkene „Sun-Collectors“. Die Form der abgeschnittenen Stümpfe ist angelehnt an die Umrisse der Kiesel, die ich am Strand von Antibes fand, wo das reißende Wasser des Var sich ins Mittelmeer stürzt und mit ihm Millionen von flachen Steinen. Die taumelnden Felsen kann man von beiden Seiten aufstellen, egal, sie drehen sich weiter.

Symposion Norwegen: Lofoten, 2011

mit Kerstin Mempel, Clemens C Franke, Corinna Kraus-Naujeck und Christian Ivar Hammerbeck

„Modifikation I“, Steinzeug, Porzellan, Glasur, Brand bei 1240°C, Paraffin

Lofoten im März, schneereichster und damit hellster Monat, Zeit der Aurora Borealis, der Nordlichter… Eine Zeit, wo alles zu verschwinden scheint in den schnell ausbrechenden Schneestürmen, die alles weg wischen, um Minuten später wieder den Vorhang aufzuziehen und die brillante Sonne lässt alles glitzern. Eine Zeit, in der über uns Millionen von toten Fischen zum Trocknen auf tausenden Gestellen hängen, auch mal nur Köpfe davon oder Gräten, wie riesige Weinstöcke. Meterhoher Schnee deckt alles zu, Schneewehen wie Wüstendünen legen sich über Land, Häuser, die karge Botanik und formen alles in weiß, weich und fließend. Das Licht im Schnee wie Milchglas, das Meer verschmilzt am Horizont mit dem Schneesturm. Großartige Formen und Lichtphänomene, die reizen, sie in Keramik – hier vor allem in Porzellan - wegen der fließenden Weiß-heit, nachzuempfinden.

„Modifikation“ ist eine Reihe, in der ich über dunklem Steinzeug Porzellan aufgebracht habe, um abtauenden Schnee auf Felsen/Hausdächern etc. anzudeuten, wenn auch der Schnee wieder verschwindet, bisweilen wieder überfriert, aber er hat keine Chance auf Dauer.

In Svolvær werden die Fußwege beheizt.

Symposion/Kunstreise Indien: Leh, Ladakh 2018

mit Kerstin Mempel, Clemens C Franke und Volker Altenhof

„Großer Tänzer“, 2023, Steinzeug, Engobe, Farbkörper, Brand bei 1240°C, 50 x 20 x 18 cm

„Großes Orakel“, 2023, Steinzeug, Engobe, Farbkörper, Brand bei 1240°C, 60 x 26 x 23 cm

„Beobachter“, 2020, Steinzeug, Engobe, Farbkörper, Brand bei 1240°C

Während der gemeinsamen Reise mit Clemens Franke, Kerstin Mempel und Volker Altenhof 2018 nach Ladakh besuchten wir zahlreiche abgelegene Landschaften und Klöster. Wir hatten auch Gelegenheit, an zwei Klosterfesten teilzunehmen, die uns in ihrer Archaik und ihrer tiefen Gläubigkeit sehr beeindruckt haben, auch die Geburtstagsfeier des Dalai Lama mit zehntausenden überwiegend tibetischen Besuchern gehörte dazu. Die Gemeinschaft dort ist von einer derartigen Freundlichkeit und Friedlichkeit, dass sie mir wie ein ideales Gesellschaftsmodell vorkommt, wo man füreinander und miteinander in Frieden lebt, denn die Lebensbedingungen sind so feindlich, dass man seit Jahrtausenden auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen ist. Es ist ein bewußter Umgang mit widrigen/schädlichen Gefühlen (Neid, Hass, Gier) ebenso wie mit den spärlichen Ressourcen der Natur, sodass Nachhaltigkeit und friedliches Zusammenleben ein Gebot des Überlebens sind.

Dabei ist das Land in den höchsten Bergen von einer ungeheuren kargen Schönheit in Farben und Formen und Klarheit, verwirrend durch die Höhenluft und die schwer einschätzbaren Distanzen und reizvoll durch die natürliche Einfachheit der Architektur im Kontrast zur überwältigenden Größe der Natur. Dort zu Arbeiten ist dem Keramiker nicht möglich durch Abwesenheit von Material und Brennstoff, daher habe ich die Eindrücke nach Rückkunft im heimischen Atelier ausgearbeitet.

„Im Tanz Raum und Zeit erkunden, in sich versunken.
Kreisende meditative Bewegung erzeugt Leichtigkeit,
Schwindel, Ekstase. In diesem Zustand können sich
für kurze Zeit physikalische Gesetze und irdische
Rätsel auflösen oder
Undenkbares erscheinen“.

(Zu „Tänzer und Orakel“)

Residency China: Jingdezhen, Taoxichuan Art Avenue, 2025

mit Clemens C Franke

„Zylindergefäße: Chinesische Platanen“, 3 Strukturzylinder, 2025, Steinzeug/Porzellan, Engobe, Farbkörper, Glasur, Brand bei 1300°C

Der 10-wöchige Aufenthalt in Jingdezhen, der Weltkapitale des Porzellans, war von den Auslandsaufenthalten mit Abstand der eindrucksvollste, was die Keramik anbelangt: Nicht nur der Umfang dessen, was der chinesische Staat dort anbietet, ist gewaltig – großzügige Residencymöglichkeiten für 1000 Stipendiaten pro Jahr! – sondern vor allem die jahrhundertelange Erfahrung einer ganzen chinesischen Stadt (1,6 Mio. Einwohner), die das Glück hat, die reinsten feinsten Porzellanvorkommen in seinen Bergen zu finden. Die Gefäße und Skulpturen der letzten 1000 Jahre, die in der ganzen Welt wie Gold gehandelt wurden und die chinesischen Kaiser erfreuten, kommen von hier, unermesslich das Wissen und Können! Ich/Wir (Clemens war auch eingeladen) waren sehr glücklich über die Möglichkeit, mit diesem besonderen Stoff zu arbeiten, zu experimentieren, darauf zu malen, die Grenzen und Möglichkeiten auszuloten. Da mir das Porzellan eigentlich zu lichtdurchlässig ist (diese Eigenschaft wird am Porzellan am Meisten geschätzt), probte ich mit dortigem Steinzeug, das ich gelegentlich mit Porzellan mischte. Oder ich schichtete die beiden Materialien aufeinander und spielte mit den unterschiedlichen Schwindungen und Eigenschaften ästhetisch und physikalisch. Am Ende entstand eine Serie über die alten Fabrikschornsteine auf dem Gelände, deren Oberfläche ich als "Memory of the chimneys" in Porzellan und Steinzeug abformte. Die meisten Arbeiten sind dort geblieben, diese drei Zylinder, zu denen ich von der Rinde der Platanen vor dem Atelier angeregt wurde, sind mit wenigen kleineren Arbeiten nach Deutschland mitgekommen.